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FASHION DAY A/W 18/19 – REVIEW

  • GMT
  • 21. Juli 2017
  • 3 Min. Lesezeit

Für viele ist der Fashion Day des Deutschen Mode-Instituts gesetzt wie man so sagt, ein Termin der angenommen wird, egal ob es gerade passt oder nicht. Feier- und Festtage kann man sich auch nicht aussuchen.

Zeitlich und räumlich „im Auge des Sturms“ dieser Branche, da wo es für einen Moment nur ruhig scheint, findet das Get-Together der Kreativszene statt - zwischen den Messen, vor den Ferien und bevor es wieder losgeht, mit Blick auf den Rhein, mit Händen und Füßen im Jetzt und dem Kopf im Morgen, ein kontemplativer Moment.

Und tatsächlich durchströmt die Besucher wie die Veranstalter und die Referenten des DMI Trendboards ein ehrfürchtiger Schauer gespannter Erwartung, wenn sich der Vorhang des Foyers erhebt und den Blick frei gibt auf die riesige Leinwand mit dem Chart WILLKOMMEN ZUM DMI FASHION DAY.

Auch dieses Mal folgte der Programmablauf einer verlässlichen Route auf der die TeilnehmerInnen sich durch das Marktgeschehen, die Trendthemen, Farben, Materialien, Produktgruppen und die Styles der Saison leiten ließen.

Zum Auftakt hat der „Zeitgeist“ das Wort. Was motiviert die Mode zum Sein? ‚Feminismus und Mode‘ - was zunächst akademisch klingt, hält am Ende ganz konkrete Forderungen für das Design bereit – Silhouettenwandel.

Der wehrhafte Feminismus der Aufbruchsjahre, der Opposition im Alltag und „Kante“ zeigte, hatte sich von einem schleichenden Sexismus im Frauenbild der Marken und Medien, zum Schaulaufen eines provokativen Exhibitionismus im Ausdruck der Mode gewandelt. Dass sich Frauen wieder auf Ihren Körper reduzieren ließen wäre missverstanden, denn sie taten es mit weiblicher Macht, postfeministischem Selbstbewusstsein und emanzipierter Stärke. Aber auch diese Phase scheint im Übergang zu einer „graduellen Entsexualisierung der Mode“. Nach „Porno“ kommt eine neue Innerlichkeit. Die neuen Formen tragen dem Rechnung. Carl Tillessen spricht vom Post- Postfeminismus und entspinnt einen roten Faden, der sich über die Gastbeiträge verbindend durch den Tag, die Fachthemen plausibel verknüpfend, durch das ganze Programm zieht.

Was geben die Marktzahlen an Prognose her? Spiegelt sich der aufkommende Trend in den Kurven und Säulen, der jeweiligen Umsätze? Ulla Ertelt schöpft aus dem Fundus Ihrer Umfragen und Analysen. Eine sich ändernde Stilentwicklung deutet sich an, wird aber im „Turnaround“ von Branche und Produktgruppen erst zaghaft sichtbar.

Vor dem ersten Break konnten wir uns kurzweilig entspannen. Es geht um Influenzer und Online-Marketing, Kommunikation und die Demokratisierung der Mode. Wer bestimmt heute die Styles? Roland Schweins von Styleranking weiß wovon er spricht.

Huhn oder Ei – die Digitalisierung scheint das passende Instrument für die Individualisierung der Menschen, auf der Suche nach einer selbstbestimmten Persönlichkeit zu sein. Die Kommunikation über Social-Media macht die individuellen Selbstinszenierungen einer Selfie-Gesellschaft erst möglich. In aufrichtiger Subjektivität wird der eigene Lebensstil gepostet und selbstbewusst postuliert. Das macht Eindruck und schafft Follower! Die Deutungshoheit der Mode scheint den Hochglanzmagazinen aus der Hand genommen. Wohlmeinend betrachtet kann man darin die Demokratisierung der Mode erkennen – kritisch gesehen die Proletarisierung des Geschmacks, während zeitgleich die Demokratie und deren Plebiszite im Ergebnis aktueller Politik, Ziel und Absicht verlieren.

Tatsache ist, dass hier Fachjournalismus, Marketing, PR und Markenpropaganda zu neuen medialen Ufern streben. See now – buy now! Wer macht also die Mode wirklich? Das gibt zu denken!

Mit dem Reality-Check und den Key-Directions nach der ersten Kaffeepause wurden alle wieder auf Ihr ureigenes Tun im Design zurückgeholt. Was hat Erfolg, was kommt und was geht?

Ein Zwischenspiel, Eva Fischer, die junge zweite Gastrednerin vom Handelsblatt schließt an, mit Ihren Gedanken zum Stand der Emanzipation. Für welches Frauenbild wir eigentlich Klamotten machen, beantwortet sie aus historischer, aber auch aus ganz persönlicher Sicht und plädiert für einen aufgeklärten Feminismus. Sie beanstandet eine klischeehafte, geradezu frauenfeindliche Berichterstattung in bestimmten Magazinen. Sie befürwortet eine stilistische Selbstbefreiung.

Eva Fischer hat auch einen Selbstversuch in Sachen Influencer hinter sich. „Nicht nackig genug – wie ich versuchte Influencer zu werden“, hieß Ihr Online-Artikel dazu.

Mittagspause. Zeit zum Nachdenken!

Am Nachmittag nehmen die Themen Farben, Materialien und die Stilistiken der Saison so richtig Fahrt auf. Die Bilder und Kommentare fliegen einem nur so um die Ohren. Alle Teilnehmer sind hochkonzentriert, motiviert, notieren und skizzieren akribisch. Die Designvorschau, die Trendanalysen des 10-köpfigen DMI-Trendboard sind auch insgesamt inhaltlich dichter als bei den Malen zuvor.

Und all das gibt es jetzt auch digital. Das DMI demonstriert in den Pausen wie seine digitalen Channels funktionieren. Auch das Trendbuch als Guideline durch die Saison ist interaktiv zu erwerben. Aber man will auch da gewesen sein.

„Ich treffe hier immer meine Freundin und Kollegin aus dem Norden, wenn ich aus Zürich nach Düsseldorf zum DMI Fashion Day komme. Wo gibt es auch sowas sonst noch?" sagt eine der Teilnehmerinnen und pickt in den Apfelkuchen beim Kaffee am Nachmittag.

Alle Fotos: Deutsches Modeinstitut, ©Ralf Berndt

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