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True Romance

  • CT
  • 5. Sept. 2017
  • 3 Min. Lesezeit

Ein entfesselter Neoliberalismus hat dazu geführt, dass die Gesetze des Marktes mehr und mehr auch unsere Gefühle und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen prägen. Wenn man im Fernsehen zwischen „Der Bachelor“ und „Die Höhle der Löwen“ hin- und herschaltet, bekommt man vermittelt, dass die Suche nach einem Lebenspartner und die Suche nach einem Investor im Grunde nach den gleichen Regeln ablaufen. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit führt zu einer erbarmungslosen Oberflächlichkeit. In den sozialen Netzwerken bestimmt sich der Marktwert eines Menschen durch die Anzahl der Clicks und Likes in wenigen Minuten. Auf Tinder entscheidet ein einziges Foto darüber, ob man einfach weggewischt wird.

Aber immer mehr Menschen können und wollen sich nicht mehr auf diesen Markt begeben. Sie wollen als Mensch hinter dem Foto wahrgenommen werden. Sie können die Kälte von Facebook-Freundschaft und Tinder-Sex nicht mehr ertragen und versuchen, den privatesten Teil ihres Lebens vor dem Netz und seinen Regeln zu schützen. Jenseits von Clickbaiting und Selfie-Narzissmus wächst eine Sehnsucht nach Romantik und nach wahrer Liebe in einem unschuldigen Sinne.

Der Erfolg von „La La Land“ war ein erstes Symptom dieser Sehnsucht. In der Geschichte lieben sich zwei Menschen unabhängig von ihrem aktuellen Marktwert. Ob er Barpianist oder Popstar ist und ob sie Kellnerin oder Filmstar ist, hat auf ihre Gefühle füreinander keinen Einfluss.

Der Film ist durchtränkt von einer naiven Nostalgie, die sich zurücksehnt in eine entschleunigte, vordigitale Zeit, als alles noch weniger komplex war: Die beiden begegnen sich offline, ganz einfach: Boy meets girl. Sie lassen sich viel Zeit, einander kennenzulernen, geben sich eine zweite und dritte Chance. Auch später kommunizieren sie ganz ohne Handy. Kommen sich besuchen... Dass dieses Musical so erfolgreich war, obwohl es musikalisch und tänzerisch eher belanglos ist, zeigt, wie sehr der naiv-romantische Kern der Geschichte den Nerv der Zeit trifft.

Auch Steven Soderberghs „The Girlfriend Experience“ zeigt, wie sehr sich unsere intimsten Sehnsüchte geändert haben. In der Serie geht es um eine neue Form der Prostitution, bei der Männer Escort-Mädchen dafür bezahlen, sich ihnen gegenüber für eine Nacht oder für ein Wochenende wie eine feste Freundin zu verhalten - und zu stylen. Das ist eine modische Kehrtwende: In den gepimpten Nuller-Jahren haben sich feste Freundinnen wie Prostituierte gekleidet. Jetzt kleiden sich Prostituierte wie feste Freundinnen. In der Vergangenheit war es eher so, dass Männer für den Kick des unverbindlichen Sex’ bezahlt haben, um der Routine ihrer festen Beziehung zu entfliehen. Jetzt, da unverbindlicher Sex auf Plattformen wie Tinder überall und jederzeit verfügbar ist, wird Geborgenheit und Vertrautheit zur ultimativen erotischen Fantasie.

Die Protagonisten aus „La La Land“ machen vor, wie man sich kleidet, um diese Fantasie zu erfüllen: Adrett, aber ohne Ironie. Romantisch, aber nicht kitschig. Hübsch, aber ohne Allüren. Elegant, aber nicht raffiniert. Sehr weiblich, aber nicht zu sexy. Das Kleid nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Der Absatz der Schuhe nicht zu flach, aber auch nicht zu hoch. Die Stoffe fließend, aber nicht glänzend oder gar durchsichtig. Die Farben sind einfach und klar.

Noch mehr als über bestimmte Farben transportiert sich das Thema aber über Drucke, die nichts mehr zu tun haben mit dem schrillen Mustermix der letzten Saisons. Vielmehr geht es vor allem um zarte, romantische Blumendrucke und -stickereien. Keine kitschigen Rosen oder schwülstigen Orchideen, sondern kleine, unschuldige Feld- und Wiesenblumen. Man denke an die Drucke von Liberty, an Cacharel in den 80er Jahren. Millefleurs, Streublumen...

Wie bei einem guten Parfum wird diese blumige Kopfnote kombiniert mit einer erdigen oder holzigen Fußnote – dunkle, mystische Töne, die den Sockel bilden, auf dem sich das helle Bouquet entfaltet. So entstehen Kompositionen, die einfach nur schön und harmonisch sind.

Sie müssen auch gar nicht laut und marktschreierisch sein. Denn Romantik ist nicht schnell und oberflächlich. Sie nimmt sich Zeit und sie lässt sich ein - lässt sich ein auf die Persönlichkeit eines Menschen, die Schönheit der Natur, die Bedeutung eines Gedichtes... Die letzte Modenschau von Tory Burch fiel auf den Valentinstag. Auf dem Platz jedes Gastes lag ein anderer Gedichtband über die Liebe.

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