Emotionen bitte!
- Thomas Hill
- 27. Nov. 2017
- 3 Min. Lesezeit

Digitalisierung, neuer Freiraum für kreatives Tun!
Der Einzug von PDM und PLM hat es in den letzten Jahren ermöglicht, jegliches Kollektionssegment im Nachklang auf jede nur erdenkliche Art und Weise zu analysieren. AVQ, LUG und KRP´s, genährt durch digitale Statistiken, sind mittlerweile jedem Designteam mehr als geläufig und fester Bestandteil und Basis der quantitativen Kollektionsentwicklung. Das daraus resultierende Bestsellermanagement besetzt gleich zu Saisonbeginn einen nicht unerheblichen Teil des zur Verfügung stehenden Kollektionsvolumens. Zweifeln verboten! Denn was in der vorausgegangenen Spiegelsaison erfolgreich war, wird auch nächste Saison wieder funktionieren. Die Zahl bestimmt den Kurs und erdrückt oftmals die, wie ein zartes Pflänzchen sich zeigende Designinnovation. Zahl schlägt Bauch. Fehlender Mut verdrängt Emotion und Vision.
So weit so gut, wären wir nicht in der Phase, in der sich die Konsumenten dem ewig Gleichen verweigern und vermehrt nach innovativen und individuellen Produkten verlangen würden. Es braucht neue Lösungen in den Entwicklungsphasen, um dem ständigen Zeitdruck und gestiegen Ansprüchen an die Kollektionen zu begegnen.
Stellt sich die Frage nach dem Wie?
Wie können wir uns von allgegenwärtigen, oft reglementierenden Vorgaben befreien und Freiraum für neue Wege schaffen?
Wie können wir Designkompetenz stärken und Kreativität im notwendigen, zielgerichteten Masse zulassen?
Es ist nicht abwegig an dieser Stelle über Digitalisierung zu sprechen. Über Tools, die Farbe und Style zu einer sehr frühen Entwicklungsphase anschaulich visualisieren. Dabei ist zwischen großen und kleinen Lösungen zu unterscheiden.
Wer Anfang Mai 2017 die Texprocess in Frankfurt besucht hat, konnte vielfach Zeuge eines immensen, digitalen Entwicklungsschubs werden. 3D animierte Avatare wechselten auf Knopfdruck im Sekundentakt ihre Outfits, live und in Echtzeit. Für jeden fast greifbar, aber vor allem begreifbar. Ein Quantensprung in der Visualisierung von Protomeetings wird sichtbar.
Nun werden wir demnächst nicht alle mit klobigen Brillen auf dem Kopf herumlaufen, während wir die Kollektion entwickeln. Software-Lösungen für das iPad und den PC sind schon im Einsatz. Zukünftig wird in Protomeetings auf ganz anderem Niveau diskutiert werden können. Für jeden sichtbar, denkbar auch an unterschiedlichen Orten. Nicht mit technischen Skizzen in schwarz-weiß, versehen mit winzigen Stoffschnipseln, und der zusätzlich noch in Quadraten visualisierten Farbstraße, sondern mit real digitalen, farbecht dargestellten Prototypen in 3D. An dieser Stelle können die Designer eigentlich klatschen, wenn sie sich denn auf die Themen, die die Digitalisierung mitbringen, einlassen würden. Den weniger Kreativen, die vermehrt in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden, kann zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Entwicklung die Kollektionsstruktur leichter verständlich gemacht werden, und das bringt mehr Sicherheit für frühe und zeitnahe Entscheidungen. Das Interesse der GF, der IT und zum Teil auch der Sourcing Division ist groß. Designer lassen sich selten blicken, wenn es um Informationen zur digitalen Zukunft in der Branche geht. Ich glaube dies ist ein Fehler, denn zum einen ist die Entwicklung nicht aufzuhalten, und zum anderen wird der Einsatz digitaler Visualisierung, die Darstellung erweiterter Realität (augmented Reality), den Designprozess wieder emotionalisieren.
Selbstverständlich sind diese Daten bis hin in den Onlineshop nutzbar, und können, wenn smart eingesetzt, das Freistellen der einzelnen Produktsegmente überflüssig machen.
Bleibt die Frage, wie schnell können diese Technologien greifen? Vielfach sind die Protagonisten noch damit beschäftigt PLM in die Arbeitsabläufe zu integrieren. Nur vereinzelt sind die Weichen schon Richtung digitale Zukunft gestellt. Es werden sich Veränderungen ergeben, allein durch modifizierte Prozesse und Aufgaben.
Manche Firmen stellen schon die Frage nach entsprechenden Nachwuchskräften, die diese Technologien beherrschen. Bis dato sind sie noch rar gesät. Eine neue Generation von Designern wird diese Chance ergreifen.
Wenn wir es schaffen die schon seit Jahren in der Autoindustrie eingesetzte 3D Visualisierung zu etablieren, werden Emotionen und Visionen wieder mehr Gewicht erhalten im heute doch eher pragmatischen Entwicklungsprozess. Vorausgesetzt wir nehmen unsere Mitarbeiter mit auf diese digitale Reise.
Ganz emotional.
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