Food Rules Fashion
- Ilona Marx
- 26. Juli 2018
- 3 Min. Lesezeit

Was können wir im Modebiz von der Foodbranche im Allgemeinen und der Gastronomie im Besonderen lernen? Das war die Fragestellung des Vortrags „Food rules Fashion“ beim DMI FASHION DAY 2018. Die These: Die momentan zu beobachtenden Hypes in der Foodbranche und in der Gastronomie sind nicht allein dem Zeitgeist geschuldet. Vielmehr ist die beneidenswerte Bilanz der Foodbranche hausgemacht – oder, um im Jargon zu bleiben – ‚homemade‘.
In Sachen Inszenierung und Interior Design gibt es kaum einen anderen ähnlich zeitgeistigen Lebensbereich, keine Disziplin, die es schafft, ihre Produkte so attraktiv in Szene zu setzen und sie in einem derart maßgeschneiderten Ambiente zu präsentieren. Das ist eine Erkenntnis, die ich als Chefredakteurin für das Modefachmagazin J’N’C auf meinen Reisen in über fünfzig Metropolen gewonnen habe.
Wie unterscheiden sich Modestil, Retail Design und Gastronomie in den unterschiedlichen Metropolen? Mit dieser Frage im Gepäck war ich auf der steten Suche nach dem individuellen Ausdruck und auch der regionalen Besonderheit. Neben extravagantem Modeeinzelhandel bin ich auch und vor allem auf bemerkenswerte gastronomische Konzepte gestoßen. Und konnte Gemeinsamkeiten feststellen: Gleichgültig, welcher Trend in der Modewelt gerade angesagt war – ob ‚Retromania‘, ‚Superfuture‘ oder ‚Zurück zur Natur‘ –, in der Gastronomie konnte man die gleichen Tendenzen, die Farben und artverwandte Materialien finden. Dort allerdings bereits umgesetzt und mit allen Sinnen erlebbar. Daraus ergab sich für mich die Einsicht: In kleinen Restaurants und Bars, in Cafés und Kneipen internationaler Großstädte kann man – mit etwas Abstraktionsvermögen – Bekleidungstrends aufspüren und zudem wertvolle Anregungen für die Präsentation dieser Trends im Fashion Retail sammeln.
Aber nicht nur die Tatsache, dass die Foodszene der Modebranche als Blaupause dienen kann, sondern auch, WARUM sie eine Nasenlänge voraus zu sein scheint, sollte Gegenstand der Betrachtung sein. Denn nur das Hinterfragen und tiefere Ergründen solcher Phänomene führt letztendlich zum Wissenstransfer. Drei Thesen, die den Food-Vorsprung erklären können:
- Food comes first. Ernährung kommt vor Bekleidung. Dieses Naturgesetz im Hinterkopf sollten ganzheitliche Konzepte geplant werden.
- Du bist, was Du isst. Foodporn, Foodblogs und viele Millionen Instagram-Posts zeugen von der Begeisterung der Generation Y fürs Essen und dessen ideenreicher und professioneller Zubereitung. Ein junges Phänomen.
- Food is faster. Wie lange dauert es, bis sich in der Mode ein neuer Trend manifestiert hat? Die Gastronomie kann schneller und flexibler auf Strömungen reagieren. Diese Art der Schnelllebigkeit als Quelle neuer Ideen und Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, den Blick über den eigenen Tellerrand zu wagen, das ist die Chance, die sich der Modeindustrie bietet.

links: Thekla Ehling / rechts: William Fan (Fotos)
Beyond Tellerrand
Zurück zur aktuellen Situation der Mode. Die Angst vor der Vereinheitlichung durch die Vertikalen geht um. Und hat einen Gegentrend ausgelöst: die Do-it-yourself-Bewegung, die auch schon vor einigen Jahren die Foodbranche erfasste. Die Signale sind klar erkennbar: Der Weg führt weg vom Einheitsbrei – hin zum Statement. Diese Tendenz lässt sich in drei Messages fassen:
Message 1: Statement Looks
Im Fashion Retail Design oft schmerzlich vermisst, in der Gastronomie aber immer wieder bestens umgesetzt: Statement Looks. Wenn ein Store für nachhaltige Mode geplant wird, dann sollte dieser Ansatz sowohl in der Kollektion also auch im Retail Space konsequent durchdekliniert werden. Im Idealfall handelt es sich nicht nur um formale Statements, diese sollten auch inhaltlich mit Bedeutung aufgeladen werden. Solche Konzepte haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind nicht austauschbar. Der Spirit, der hier verbreitet wird, ist nicht im Internet erlebbar und kann von keinem Paketdienst transportiert werden.
Message 2: Sinn und Sinnlichkeit
Um in Zeiten von E-Commerce den Konsumenten vom Rechner wegzulocken, müssen ‚Orte‘ geschaffen werden. Die Angst vor der gesichtslosen, versteppten Innenstadt wird ohne neue Ideen und kreative Ansätze nicht weichen. Mode muss also erlebbar werden. Nicht nur das Statement ist wichtig, sondern auch die Aktion, das Happening.

links und Mitte: Thekla Ehling / rechts: Frederik Vercuysse (Fotos)
Massage 3: The Diversity of Unity
Übersetzt als: die Vielfalt der Zusammengehörigkeit. ‚Unity‘ im Sinne von ‚Togetherness‘, kollektiver Identität. In Zeiten eines übergroßen Angebots ist es essentiell, Communities zu schaffen. Die Millennials interessieren sich weniger für Marken, sondern vielmehr für Gemeinsamkeiten. Soziale Netzwerke sind sehr beliebt, ersetzen aber nicht das menschliche Bedürfnis nach unmittelbarem Austausch. Communities, die einen physisch erlebbaren Treffpunkt haben, den sogenannten dritten Ort – neben dem Zuhause und der Schule oder dem Arbeitsplatz – sind Gold wert.

Fotos: Rapha
Die Kombination von Fashion Store und Gastronomie ist ebenfalls ein probates Mittel, doch auch hier sollte der Blick aufs Detail gelenkt werden. Statt ein beliebiges, leicht austauschbares Café an meinen Retail Space anzugliedern, sollte ich mir zunächst Klarheit darüber verschaffen, welche Food Trends im Moment bei meiner Zielgruppe vorherrschen.
Das Statement, das Erleben und die Community – drei Prämissen der Diversität. Sie ebnen den Weg zu den kleinen Peergroups und noch kleineren Schnittmengen, die das Gefüge der Generationen Y und Z kennzeichnen. Im ‚Pluriversum‘ – Leitmotiv des heutigen DMI Trendtages – verschmelzen diese Splittergruppen zu einer großen Einheit. Gerade im Hinblick auf nachfolgende Generationen dürfte das Pluriversum eines der zentralen Themen im Modebiz werden.
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