Fashion Week Berlin – REVIEW
- AVS
- 2. Mai 2019
- 4 Min. Lesezeit

MESSEN IM WANDEL
Die Modebranche steckt in schwierigen Zeiten. Ein überfüllter Markt, Dauersale und Skandale um die Vernichtung von massenhaften Retouren, nicht kalkulierbare Wetterverhältnisse in Zeiten des Klimawandels sowie ein zunehmend individualisiertes Einkaufsverhalten des Kunden haben die Modeproduzenten wie auch Einkäufer stark verunsichert. Steigender Konsum zu immer niedrigeren Preisvorstellungen inflationiert die Mode, denn die Wertschätzung für das Produkt selbst bleibt auf der Strecke. Es braucht neue Konzepte und Lösungen, nicht nur was das Design betrifft, sondern auch für Order und Retail. Die Messen in Berlin haben darauf reagiert –mit einem ebenso vielfältigen wie kompakten Informationsangebot. Dabei setzen sie nicht nur auf neue Strukturen in der Hallen- und Standgestaltung mit kuratiertem Angebot, sondern darüber hinaus auf Foren für Orientierung, Begegnung und persönlichen Austausch: Entertainment, Infotainment und Marketing/Community.

Panorama
Die Panorama punktete mit überarbeitetem Hallenkonzept sowie Retail-Solutions, und auch die Premium optimierte die bisherigen Strukturen: Womens- und Menswear wurden stärker gemischt und Monogruppen aufgebrochen – das galt auch für die Accessoires, die sich ganz selbstver-ständlich darunter mischten. Zudem waren die Aussteller angehalten, nicht nur Bügelware zu präsentieren, sondern Attraktion über Inszenierung zu schaffen. Das kam insgesamt sehr gut an, bei Ausstellern wie auch Besuchern.Vom 15. bis 17. Januar präsentieren sich rund 600 Brands auf dem Berlin ExpoCenter City unter dem Motto „Panorama Expedition“. Ein Besucherplus von 20 Prozent verkündete gleich am zweiten Tag die Panorama und auch auf der Premium waren nicht nur die Aussteller begeistert von der gut durchmischten, aufgelockerten Aufteilung. Teils haben sich auch die Marken neu positioniert, wie zum Beispiel Cinque oder Roy Robson, die die Highlights ihrer Kollektion jetzt auf der Premium vorstellten, oder Laurèl als Premium-Marke und Rosner mit nachhaltigen Denims bei der SHOW & ORDER gleich nebenan.
Mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit positioniert sich ganz eindeutig die NEONYT – und ist damit auch im internationalen Kontext relevant. Ein „globaler Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation“ – wie sich das neue Format aus Green Showroom und Ethical Fashion Show nennt, bestätigte sich als ein gut frequentierter Ort der Information und Begegnung. Abgerundet wurde die Veranstaltung von einem Show-Debüt: Unter dem Titel „The Art of Assembling“ präsentierten etablierte Fair-Fashion-Brands wie Ecoalf, Lanius und Philomena Zanetti sowie Hessnatur, Ivanman, Nine to Five u.v.a. eine bunte Mischung.

Neonyt, Foto: ©MBFW
Bewegung gab es auch bei den Schauen der MBFW. Eröffnet wurde der Schauenreigen am Montag Abend vom Designerlabel ODEEH, das für exklusive Materialauswahl und ausdrucksstarke Muster im individuellen Mix steht, im Theatersaal der Berliner Festspiele. Namen wie Dorothee Schumacher, Boss oder Michalsky fehlten zwar, dafür zeigten neben den bekannten Namen wie Lena Hoschek, Marina Hoermanseder und Riani auch Bogner und
Sportalm ihre Kollektionen für den Winter 2019. Inklusive Public Viewing für alle.

Odeeh, Ostertag, Fotos: ©MBFW
Umdenken, neu denken, andere Wege gehen – es bewegt sich was in der Branche – die Aufbruch-Stimmung war allseits gut. Dass offensichtlich insgesamt weniger Aussteller in Berlin gezeigt haben, ist nicht nur eine Frage hier fast nicht stattfindender Order und fehlender internationaler Einkäufer, sondern hat in den Krisen-Zeiten der Branche auch mit den eigenen Kosten zu tun. Die hohen Standmieten auf den Messeplattformen haben manch einen Aussteller sogar an den Licht-Spots sparen lassen. Selbst Giganten wie Marc Cain – die in den früheren Saisons mit großformatigen Standpräsentationen auf der Panorama als Besuchermagnet fungierten, investieren jetzt lieber nur noch in eine Fashion Show mit anschließender After-Party für anregenden Austausch und Networking. Und dabei ist Marc Cain keinesfalls ein Sanierungsfall. Die Präsentation, die nach dem Ausscheiden der Chefdesignerin Karin Veit mit Hochspannung erwartet wurde, überraschte mit deutlich cleaneren und reduzierteren Styles – die Einkäufer und auch die Medien hat die neue Kreativchefin Katja Konradi mit den monochromen Looks überzeugt. Ob die Endkundin das auch so annimmt? Für den Handel soll es jedenfalls ganz selbstverständlich weiterhin die Marc Cain typischen Kombiteile geben.

Marc Cain, Rich & Royal, More & More
Konsumverhalten, aber auch Saisontiming und Lieferrhythmen sind ein vieldiskutiertes Thema und eine große Herausforderung für die Branche. Einer kurzfristigeren Planung müssten die Lieferanten entgegenkommen, mit flexibel abrufbaren Modellen. Das würde aber auch mehr Lagerhaltung bedeuten, was nicht von allen aufgebracht werden kann. Als Fluch und Segen gleichermaßen zeigt sich auch der Verkauf über die Online-Versand-Plattformen, insbesondere was die Kosten für Retoure betrifft.

Der Berliner Salon
DIE MODE FÜR DEN HERBST/WINTER 19/20
Wenn man die trendorientierten Streetstyles der Besucher als Barometer für die modischen Kollektionsaussagen nimmt, dann stehen der volumig geschnittene klassische Wollmantel mit Bindegürtel im 80er-Jahre-Max-Mara-Stil und die XL-Daune – dazu romantische Kleider oder weite Hosen, ganz oben. Auch breite Wollschals mit Typografie und kleine Crossover-Taschen sowie Rollmützen bei den Männern waren allgegenwärtige Styling-Favoriten.
Und die finden in den modischen Kollektions-Previews auf den vielen Plattformen ihre innovative Fortsetzung. Der Wollmantel, klassisch geschnitten und in Heritage-Optik ebenso wie in kräftigen Farben, allen voran Gelb, aber auch mit großrapportigen Karos, ist in unzähligen Kollektionen vertreten. Dazu kommen Teddyqualitäten – zeitgemäß aus Fake Fur – die eine jüngere Optik vermitteln. Sie kommen nicht nur für Mäntel zum Einsatz, sondern auch für Jacken und Hoodies.

Carl Gross, Herrlicher, Dstrezzed
In punkto Farbe und Dekoration schaltet die Mode einen Gang runter, was ihr gut tut. Naturtöne von Camel bis Braun über Oliv und Kürbistöne sind jetzt wichtige Stylingpartner – insbesondere für kräftige Farben wie Gelb, Blau oder Petrol – oder bleiben unter sich. Daneben stehen Intensiv-Farben wie Rot, Blau, Gelb und Pink. Schwarz und Winter-Weiß bilden die ruhigen Pole und bieten sich als Basis für sportive Looks. Hier kommen Rot, leuchtendes Orange und Blau, aber auch vereinzelt Neongelb oder Metallics hinzu.
Eine pastellige Soft-Range bildet den femininen Part ab – beliebt sind Rosé, Rosenholz und Nudetöne, die gern kontrastierend zu Karos oder Prints kombiniert werden.
Prints bringen Spannung in die Looks, allen voran Florals und Foulardmotive sowie grafische Microdessinierungen, aber auch Leo, Snake und Co. werden großflächig inszeniert. Dazu kommen Karos in allen Variationen, groß- wie kleinrapportig – in der Womens-und Menswear.

Luisa Cerano
Must Haves für den Herbst/Winter 19/20 sind cosy Strickteile, die als Ergänzung zu romantischen Kleidern und Röcken ebenso wie zu schmalen oder weiten Hosen getragen werden. Muster sind essenzielle Kombipartner und werden meist innerhalb einer Farbrange im Materialmix kombiniert.
Die Materialität setzt auf Qualität und rückt stärker in den Vordergrund. Im Zusammenspiel sind Kontraste angesagt: Kuschelige Wolle zu fließenden Qualitäten wie auch Satin oder Chiffon.
Ruhige, zurückhaltende Teile bilden einen schönen Gegenpol zu dekorierten Modellen. Layering heißt das Gebot der Saison. Sowohl um saisonal unabhängiger zu sein, als auch um immer wieder neue Styles durch verschiedene Kombinationen zu erzielen.
Alle Fotos sofern nicht anders angegeben: ©Alexandra von Schledorn
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