Berlin Fashion Week Review A/W 18/19
- AVS
- 23. Jan. 2018
- 4 Min. Lesezeit

Stilpluralität , technologische Innovationen und digitale Inspirationen
Mehr als 3500 Aussteller präsentierten vom 15. bis 19. Januar ihre Kollektionen für die Saison Herbst/Winter 18/19 auf den zahlreichen Messen, Fashion-Plattformen und Events in Berlin. Und zogen von Dienstag bis Donnerstag Einkäufer, Medienvertreter wie auch Blogger, Influencer und Fachbesucher an. Wie immer wird die Berliner Fashion Week kontrovers diskutiert, doch ihr fester Platz zum Auftakt der Saison ist gesetzt. In Zeiten von schnellem technologischem Fortschritt und rasanter Markt-Entwicklung formiert und strukturiert sich auch die Berliner Fashion Week stets neu.
Und: Am letzten Messetag erreicht uns dann noch die Meldung, dass die PREMIUM Messe so ganz unauffällig den Besitzer gewechselt hat. Die lief bereits jetzt schon unter neuer Führung – wer hätte das gemerkt in Zeiten täglicher Veränderung in unserer Branche.
Die Mercedes-Benz Fashion Week präsentiert sich mit neuem Veranstaltungsteam unter dem Kürzel MBFW jetzt analog und digital. Statt eines vollen Showprogramms geht es nun um weniger, dafür aber individuell inszenierte Fashionshows. Zehn Designer zeigten ihre Kollektionen im ewerk in Berlin Mitte, zudem präsentierte MBFW den FASHION HAB mit dem Fashion Council Germany in der Halle am Berghain. Um die Veranstaltung nicht nur Einkäufern und Modejournalisten zugänglich zu machen, setzte Mercedes-Benz verstärkt auf die digitalen Kanäle. Und bietet mit einer neu gestalteten Website sowie Live-Streamings direkten Zugang zu den Events für alle Fashion-Interessierten.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehören zu den wichtigen Themen
Die zunehmende Digitalisierung – auf zahlreichen Business- und Networking-Plattformen – gehörte auf allen Veranstaltungen zu den wichtigsten Themen. Wie groß das Interesse am Thema Digitalisierung ist, bewies nicht nur der Andrang bei der #FASHIONTECH im Kraftwerk.
Unter dem Motto „Fashioning the Future“ zeigten Experten auf, an welchen Stufen der Wertschöpfungskette Technologie eingebunden werden kann, um die Branche fit für die digitale Zukunft zu machen. Besonderer Fokus lag dabei auf den Kompetenzfeldern Marketing & Kommunikation, E-Commerce und Retail. „Die Herausforderung für jedes Unternehmen ist es, den ersten Schritt in Richtung Digitalisierung zu gehen, den Wandel zu akzeptieren und diesen als Chance zu nutzen“, so Anita Tillmann, Gründerin und Geschäftsführerin der Premium Exhibitions GmbH und Veranstalterin #FASHIONTECH.
Auch die PANORAMA zeigte mit einer breiten Auswahl an Fashion Tech Solutions und Dienstleistern mit interessanten Anwendungen auf, welche Chancen die Digitalisierung bietet –
sowohl für den Einzelhandel als auch die Industrie.
Mit der neuen Messe XOOM im Berlin ExpoCenter City präsentierte die PANORAMA zudem rund 40 Green Fashion Brands. Die Idee dazu ist durch den Austausch zwischen den Veranstaltern der INNATEX sowie deren Austellern entstanden.
Auch die „grünen Messen“ gemeinsam mit der Messe Frankfurt im Kraftwerk Berlin zeigten durch die zentralere Location eine höhere Besucherfrequenz. Mit rund 170 progressiven Labels, davon viele Neuzugänge, erwiesen sich die Ethical Fashionshow und der Green Showroom als Besuchermagnet.
Die Mode setzt auf „Follower“
Doch je öffentlicher die Mode sich über Live-Streams und in den digitalen Medien präsentiert, umso mehr stellt man bei den Schauen selbst wieder eine gewisse Selektion fest. Kleinere Veranstaltungsräume mit limitierten Plätzen scheinen gewollt – und forcieren die Begehrlichkeit dabei zu sein. Marc Cain lud seine Gäste nach Club-Idee in den abgelegten U-Bahnhof am Potsdamer Platz –„Members only“.
Auch die Designer setzen auf ihre Fangemeinde. T-Shirts mit Logo oder Schals mit großen Lettern erinnern an Vereins-Artikel. Und sind ein Merchandise-Instrument, welches in den sozialen Medien Gruppenzugehörigkeit demonstriert. Auch Kooperationen erzielen Aufmerksamkeit und generieren mehr Reichweite: Tom Tailor entwickelte eine Kollektion mit der Band Revolverheld, MCM kreierte eine Taschen-Edition und Lala Berlin ein Outfit mit König Souvenir, dem Label der angesagten Berliner König Galerie.
Influencer sind mittlerweile mehr als nur Markenbotschafter. Bei der Show von Marc Cain platzierte man beispielsweise die Bloggerin und Influencerin Stefanie Giesinger in der Front Row gleichberechtigt mit Prominenten wie The Boss Hoss, Yvonne Catterfeld und Veronica Ferres. Und weil Influencer ihre Zielgruppe – messbar in Followern – persönlich ansprechen und einen hohen Identifikationsfaktor haben, bringen sie jetzt auch eigene Styles heraus. Auf der Ausstellungsfläche auf der 5. Etage der Show & Order präsentierten sie ihre Kollektionen in Form einer Influencer Road Show.
Im Markt der Masse ist vieles beliebig und austauschbar geworden. Der Wunsch nach Individualisierung lenkt die Aufmerksamkeit auf Marken mit Identität. Das bringt nicht nur die Identifikation mit Vorbildern mit sich, sondern rückt auch Persönlichkeit und Emotion in den Vordergrund. In Zeiten von Algorithmen und virtuellen Regalen spielt der menschliche Faktor wieder eine Rolle.
Die Kollektionen sind modisch auf die Spitze getrieben
Die Modelle sind aufwendig gearbeitet und aus hochwertigeren Materialien. Sie sollen wieder ansprechen und wertgeschätzt werden. Wertigkeit zeichnet auch die Kollektionen im Berliner Salon aus. Vogue-Chefin und Fashion Council Germany-Präsidentin Christiane Arp hat hier eine kuratierte Auswahl nationaler Marken zusammengestellt, die „sich international sehen lassen kann“. Und: Die über die Mode hinausgeht – denn sie vereint erstmals die Bereiche Mode, Fotografie und Design. Jörg Ehrlich und Otto Drögsler (Odeeh) beispielsweise designten Teller für die Porzellanmanufaktur Meissen, daneben gab es auch Möbel, Teppiche und Duftkerzen.
Insgesamt haben die Marken ihre Kollektionen komprimiert und sind dabei modisch spitzer geworden. Es geht immer weniger um endlos weitergespielte Kollektionen, sondern zu fokussieren, und die nötige Attraktion insbesondere über die Markenidentität mitzubringen. Man will nicht vergleichbar sein. Die Designer und Markenmacher haben sich alle Mühe gegeben, wieder ihre Authentizität herauszuarbeiten und dementsprechend modisch auf den Punkt gebrachte Highlights vorzustellen. Um ihre Fans oder Follower anzusprechen. „Nur nicht einheitlich“ darf es sein. Vergleiche oder die Frage nach einer verallgemeinernden Trend-Aussage sollte man hier nicht stellen. Denn im Markt der Masse wirkt die Anziehungskraft eines limitierten Kontingents ebenso wie die Individualität im Ausdruck. Da spielt der Preis nicht immer eine Rolle.
Maskulines und Feminines, neues Tailoring und kreativer Mustermix
Authentizität und Liebe zum Detail zeichnen die Kollektionen aus – voller Kontraste und spannender Gegensätze.
Man spürt, dass die Marken ihre ID herausgearbeitet haben, Authentizität und modische Trends auf eigene Art vereinbart haben. Das Ergebnis sind komprimierte Kollektionen mit modischen Highlights. Die Einkäufer suchen nach Innovationen für die Fläche – nicht komplette Sortimente. Zumal sie ihre Vororder reduziert haben und flexibler reagieren wollen.
Die präsentierte Mode bietet die Möglichkeiten dazu: ein innovativer Umgang mit Schnitten und Silhouetten sowie ein kreatives Spiel mit Prints bringt spannende Kombinationen hervor. Das Thema Feminität wird emanzipiert und selbstbewusst übersetzt – ob romantisch in Pastell und Spitze oder komplett in Schwarz.
Viel Farbe, Fell und Teddy, Puffer-Jackets sowie jede Menge Karos und interessante Strick-Ideen, neue Silhouetten und ein kreativer Muster-Mix – in multiplen Interpretationen. Sportiv oder dressed-up, feminin oder maskulin.
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