Re’aD Summit 2019 – REVIEW
- Alexandra von Schledorn
- 12. Nov. 2019
- 5 Min. Lesezeit

Gemeinsam digital nachhaltig!
Wie rasant die Technologie-Entwicklung voranschreitet und dementsprechend groß der Informationsbedarf für die digitale Transformation der Mode- und Konsumgüter-Industrie ist, zeigte sich beim nunmehr dritten Re’aD Summit am 07. 11. in der Rheinterrasse Düsseldorf. Best Practice Live – bei dem vom Deutschen Mode-Institut initiierten Gipfel für angewandte Transformation der Supply Chain informierten sich rund 250 Besucher – erstmals oder erneut – über den aktuellen Stand digitaler Innovationen und deren Anwendung. User berichteten hier über ihre Erfahrungswerte und führende Technologieanbieter präsentierten Lösungsvorschläge. Das überaus positive Feedback und der enorme Zuspruch der Teilnehmer und Gäste bestätigen erneut, wie wichtig diese Veranstaltung für die dort vertretenen Branchen ist.
„digital x nachhaltig“ lautete das Motto des Read Summit 2019, der von Stefan Dietz, Entra People Systems, moderiert wurde.
„Digitalisierung ist Teamarbeit“
Damit die digitale Transformation gelinge, müssten die Potenziale erkannt und Chancen genutzt werden, begrüßte Christoph Dammermann, Staatssekretär MWIDE NRW, die Teilnehmer beim Re’aD Summit. „So langsam wie heute wird es nie wieder“, erläuterte er das Engagement seitens der Politik – insbesondere in NRW. Ohne Digitalisierung sei wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland nicht denkbar. Digitalisierung erfordere Sicherheit, Transparenz und einheitliche Standards. „Wir brauchen internationale Regeln.“

Christoph Dammermann, Staatssekretär MWIDE NRW
„Technologieentwickler sind heute schon so schnell, dass wir Menschen gar nicht mitkommen“, zielte Dietz auf die Herausforderungen und Veränderungen, vor denen die Branche steht. Was ist heute schon möglich, welche Soft- und Hardware bietet sich? Zu viele Prozesse funktionierten heute noch ausschließlich analog. Im Verlauf des kompakten Informations-Programms wurde deutlich, wie sich Prozesse schneller, effizienter und kostengünstiger umsetzen lassen, um zukunftsfähig zu sein – und gleichermaßen nachhaltig.
„Die besondere Herausforderung ist die, irgendwo anzufangen.“ Re’aD biete die ideale Plattform, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, so Gerd-Müller-Thomkins, Geschäftsführer DMI, sich selbst zu verorten, über Best Practice zu informieren und dazu das passende Netzwerk zu treffen, um gemeinsam den digitalen Wandel zu schaffen.

Aviram Vardi | TWINE
„Kein einziger Meter von dem, was man nicht will, wird dann produziert.“
Die Modeindustrie sei die schmutzigste überhaupt. Nur ein Teil von gefärbtem Garn werde wirklich gebraucht. Aviram Vardi ist aus Israel angereist. 2015 wurde TWINE gegründet, um Garnfärbung nachhaltiger zu machen. Zeitgemäß sei, nur noch bedarfsorientiert zu färben. Aviram Vardi plädiert für Micro Factories – nah am Kunden. „Erst verkaufen, dann produzieren“ lautet sein Leitgedanke. Am Beispiel von Sneakers machte er deutlich, wie durch die Garnfärbung mit Twine Systems Personalisierung in Zukunft umsetzbar ist: Mit Basic Ink und digitaler Garnfärbung lasse sich Garn jetzt individuell dosiert – überall auf der Welt – färben. Das spare Transportkosten, vermeide große Lagerhaltung und vor allem verunreinige man keine Flüsse durch Färbe-Chemikalien.
Am Anfang – und am Ende – steht immer der Mensch. Was die Kunden wünschen, hat auch für The Boppy Company oberste Priorität: Kreative Services, die der Kunde erwartet, ohne dafür mehr zahlen zu müssen. Cathy McNeil, Designerin beim US-amerikanischen Produzenten von Baby-Produkten, die immer und überall ihre kreativen Print-Motive auf Papier skizziert, nutzt Efi Design Pro, um diese schnell, kundenspezifisch, kostengünstig und nachhaltig umsetzen zu können. „Colourmatching“ spielt dabei eine große Rolle. Letztendlich entscheide aber der Mensch, warum es ein zartes Pink und kein kräftiges Rosa sein soll.

Cathy McNeil | The Boppy Company
Angewandte Nachhaltigkeit: Durch Datenaustausch schneller zum richtigen Produkt
Um digitale Standardisierung der Supply Chain geht es auch beim türkischen Produzenten Yünsa, einem der fünf größten Kammgarnhersteller weltweit, bei dem u.a. auch Hugo Boss Kunde ist. Beeindruckend zeigt die Präsentation, wie sich international die Prozesse der Produktgestaltung – Materialauswahl, Stoffgestaltung, Zutaten – durch digitalen Datenaustausch mit dem PaX System in der DMIx Cloud beschleunigen lassen. 40 Prozent Ersparnis habe man somit erreicht, so Görkem Aygün, Product Manager Yünsa.
„Mit nur einem Klick haben wir einen Austausch zwischen unseren Lieferanten und unserem PLM System“. Olaf Kölling, Geschäftsführer ColorDigital, setzt auf neue Wege der Zusammenarbeit. „Wir reden hier nicht nur über die Entwicklung von Produkten, sondern von Prozessen.“ Mit dem Teilen und Austausch von Daten ändern sich die Regeln in der textilen Supply Chain. Die Panel-Diskussion mit Andreas Schneider, GCS, macht deutlich, wie grenzüberschreitend Möglichkeiten erarbeitet werden – „collaborative planning & forecasting“. Bei Hugo Boss zählen Schnelligkeit und Qualität. Für Sebastian Freidinger, Digital Innovation Advisor bei Hugo Boss, muss dabei klargestellt sein, welche Daten man teilen wolle. Dazu müsse man „Production lines“ definieren, um unterschiedliche Erwartungshaltungen auszuschließen. „Man nutzt die selben Daten, aber jeder auf seine eigene Weise.“ Andreas Büdel teilt bereits die digitalen Daten und product files der PB Accessoires in der DMIx Cloud. Zukünftig könnten diese Daten auch weiterführende Informationen bis hin zum Preis enthalten.

Talkrunde
Marte Hentschel hat mit Sourcebook die Plattform für digitales Sourcing gegründet und verzeichnet ein Riesen-Netzwerk, dabei liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit. Bei Re’aD sprach sie im Rahmen einer Talkrunde über den Nutzwert von Daten, um heute als Fashion Brand erfolgreich zu sein. Ihre Gesprächspartner: Maxi Bohn, Fashion Tech Consultant , die bereits an der Produktenwicklung bei Hugo Boss und Zalando mitgewirkt hat und über Retoure Passform und Gradierung überarbeitet hat, „mit Daten, die uns nichts kosten“. Theresa Heithaus unterstützt über die Open Data Plattform Wikirate Unternehmen dabei, ihre Nachhaltigkeitspraktiken zu teilen. „Precompetitive collaboration“ lautet das Lieblingswort von Max Gilgenmann, Co-Founder Kaleidoscope Berlin + Content Director NEONYT. Für ihn gehen Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand. Virtuelle Models ohne Ressourcenverbrauch, keine Überproduktion, keine Dinge, die die Welt nicht braucht. „It’s time to experiment.“ Wichtig sei aber, keinen Overhype zu schaffen und die Menschen nicht aus den Augen zu verlieren.

Marte Hentschel & Guests
Aus der Hochschule in die Praxis – die Digitalisierungstreiber kommen!
Mit Digitalität ist die junge Generation aufgewachsen. Die Forschung gehört ebenso auf den Lehrplan der Hochschule Niederrhein wie die virtuelle Produktentwicklung in 3D, Animation, Simulation, Rendering und Virtual Reality. Dipl. Ing. Antje Christophersen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Virtual Lab, informierte über die Lehrinhalte des Studiengangs Bekleidungstechnik. Vom Bodyscanning des eigenen Körpers bis hin zum eigenen Avatar, der das Kleidungsstück in Bewegung präsentiert – Jasmin Lehmann, Studentin Bachelor/Bekleidungstechnik, gab Einblicke in ihre Studienarbeit und machte die Erwartungshaltung der „Digitalisierungstreiber“ an die Industrie deutlich.
Als Grundlage für eine gute Passform benötigt die Industrie repräsentative Maße. Durch Reihenmessungen von Bevölkerungsgruppen per Bodyscanning, die Tim Günzel, Avalution GmbH, international durchführt, lassen sich 3D-Größenempfehlungen auf Knopfdruck in die virtuelle Produktentwicklung integrieren. Wertvolle Daten, die auf der Basis eines virtuellen Mensch-Modells bereits in der Automobilindustrie als Voraussetzung für „maßgeschneiderte“ Autos genutzt werden, wie im Gespräch zwischen Gerhard Karl, ASSYST, und Peer-Oliver Wagner, Interior Head of Ergonomics bei BMW, herauskommt.

Dipl. Ing. Antje Christophersen, Jasmin Lehmann
„Das Mitnehmen der Mitarbeiter bestimmt 80 Prozent des Erfolgs“
Prozesse grundsätzlich zu verändern, „dass man eben nicht mehr das Textil-Teil in der Hand hat“, bedeute auch für das Mode-Unternehmen Ahlers einen Quantensprung. Damit der CHANGE im Unternehmen gelinge, sei vor allem wichtig, so Wolfgang Weber, AHLERS Group, auch das Mindset der Mitarbeiter in diese Welt mitzunehmen.
„We have to change – all of us.“ Gemeinsam mit starken Partnern und Innovationswillen hat das italienische Unternehmen CREAZIONI DIGITALI den Textildruck revolutioniert. Roberto Lucini, CEO, zeigte auf, wie sich mit „Green Drop“ – digitalem Pigmentdruck auf allen Gewebearten mit Druckern von Epson – Wasserverbrauch und CO2 Emissionen erheblich einsparen lassen.
Das Fazit der abschließenden Talkrunde der Digital Textile Connection lautet: Um nachhaltige Produktenwicklung erfolgreich umzusetzen, bieten sich viele Teil-Lösungen, die in Kollaboration auf eine Komplettlösung zielen. Das gemeinsame Commitment, digitale Daten, einheitliche Standards und der Austausch sind dabei die Bausteine, damit die Prozessoptimierung in der gesamten Supply Chain gelingt. Nicht zu vergessen, den Menschen dabei mitzunehmen.

Digital Textile Connection
Re’aD bringt die Branche zusammen, präsentiert Erfahrungswerte und bietet Lösungen – von der Forschung bis zum Vertrieb, von der Messung und Kommunikation von Farbe und Material bis zum Design, vom Bodyscanning bis hin zum 3D-Prototyping am Rechner, von der digitalen Garnfärbung bis zum Textildruck. Praxisbezogene Informationen – beginnend mit der Trend-Information für Mode-und Lifestyleprodukte über farbverbindliche Monitore, 3D-Design bis hin zur industriellen Färberei und Druck – erhielten die Besucher zudem an den Aussteller-Ständen von EIZO, NATIFIC, FashionSnoops mode...information, Assyst, ColorDigital, DMI, Efi und EPSON.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.readsummit.com
Jetzt schon vormerken:
Der nächste Re’aD Summit 2020 findet am 03. November 2020 statt.
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