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BUCHVERÖFFENTLICHUNG – KONSUM

  • Gerd Müller-Thomkins
  • 22. Sept. 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Am gestrigen Montag traf sich in Berlin eine erlesene Anzahl prominenter Fashion Insider im Flagship Store des Designer-Duos ODEEH anlässlich der Präsentation des heute erscheinenden Buches „KONSUM – WARUM WIR KAUFEN, WAS WIR NICHT BRAUCHEN“ von Carl Tillessen in Anwesenheit des Autors.

KONSUM – eine bemerkenswerte Neuerscheinung!

Offensichtliche Wahrheiten und überfällige Selbsterkenntnisse nehmen wir zumeist nur von uns nahestehenden guten Freunden an, weil wir wissen, dass wir ihnen vertrauen können. Wir sind uns sicher, dass sie es gut mit uns meinen, obwohl wir so sind und uns derart verhalten, auch vielleicht, weil sie selbst ein bisschen so sind wie wir selbst.

Carl Tillessen, der Autor der jetzt schon viel beachteten Neuerscheinung KONSUM ist einer von uns, aus unserer Branche, aus einer Gegend im Westen nahe dem Niederrhein, dort wo die Textilbranche einst ihre edlen Wurzeln schlug, die Landschaft und die Leute prägte. Tillessen ist ein Kind des Wirtschaftswunders, geboren zu einer Zeit, als der Konsum aus heutiger Sicht erst begann, noch unschuldig und in seiner Reinheit ohne Reue begehrenswert war.

Carl Tillessens Buch KONSUM erscheint wie eine kollektive Selbstanzeige der westlichen Gesellschaft, was unseren Umgang mit Mode, Lifestyle- und Luxusgütern wie auch den Produkten des vorgeblich alltäglichen Bedarfs angeht. Akribisch recherchiert, gewissenhaft reflektiert und hochaktuell wirkt dieses Spiegelbild unserer Exzesse und dekadenten Verhaltensauffälligkeiten unmittelbar entblößend und lässt uns weder smart noch groß erscheinen, was unsere andauernden Ausschweifungen als sogenannte Verbraucher angeht.

„In fast allen Beiträgen über den exzessiven Konsum unserer Gesellschaft – Büchern und Artikeln, Dokumentarfilmen und Fernsehreportagen – wird von der Kanzel gepredigt, dass »man« so auf keinen Fall weitermachen dürfe. Aber »man« ist eben nicht wir und damit auch nicht ich. Man – so klingt es zumindest –, das sind immer die anderen. So als wäre Überkonsum ein Problem von Leuten, die man nicht persönlich kennt“, schreibt Tillessen und nimmt sich dabei selbst als bekennender Konsument und irrationaler Lustkäufer des Überflüssigen in keinster Weise aus dem Spiel.

„Wenn ich in diesem Buch darüber schreibe, wie wir konsumieren, dann meine ich WIR und dann meine ich auch mich selbst. Ich kann nicht behaupten, dass mir irgendeiner der hier beschriebenen Auswüchse unseres Konsums fremd wäre. Vielmehr gibt es in diesem gesamten Buch keinen einzigen Auswuchs, bei dem ich mich nicht schon selbst ertappt hätte. Ich bin Teil des Systems. Ich bin privat Teil des Systems. Und ich bin beruflich Teil des Systems. Und daran wird sich auch nichts ändern. Ich bin kein Aussteiger.“

Somit ist KONSUM eine wahrhaftige Selbsterforschung des „Homo Hedonomicus“, des geizgeilen Smart Shoppers dieser wie vergangener Tage.

Das ist es, was das Buch und seinen Autor zutiefst glaubwürdig wie zu einer unterhaltsamen Nabelschau macht. Ein authentischer und gleichzeitig wissenschaftlich fundierter Erlebnisbericht eines Insiders unserer gegenwärtigen Konsumkultur.

Wer jetzt meint, da habe jemand gezielt die passende Publikation zum Zeitgeist geschrieben, hat weit gefehlt. Seine Analysen sind in keine Richtung angepasst.

Zu schreiben begonnen hat er sein Buch bereits 2018. Von den darin gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen zehrt er schon lange in seinen Arbeiten als Markenmacher und Designer, Kurator, Autor und Berater. Hier hat sich was angesammelt und das brauchte anscheinend Luft. Er weiß, wovon er spricht.

Carl Tillessen ist Betriebswirt, Kunsthistoriker und Schneidermeister. Schon in Studien und Ausbildung wollte er wissen, wie alles zusammenhängt.

KONSUM – WARUM WIR KAUFEN, WAS WIR NICHT BRAUCHEN – ein Titel, der verspricht, auf den Punkt zu kommen.

Globalisierung, Digitalisierung, Ausgeben und Umdenken – in vier großen Teilen zum Konsum strukturiert der Autor bewusst selektiv sein gelungenes Durchforsten von Ursachen und Motiven, Folgen und Auswegen aus dem Dilemma unserer Lust, beim Kaufen den Kopf abzuschalten. Was quasi detektivisch recherchiert ist, liest sich wie ein anspruchsvoller Krimi und ist noch dazu überschaubar und ästhetisch gemacht.

KONSUM ist leicht konsumierbar. Animierende Titel führen in kurzweilige Kapitel mit tiefenscharfen Analysen von Wirtschafts- und Verbraucherdaten sowie zahlreichen Verweisen zur Psychologie derzeitigen Konsumverhaltens, gespickt mit Zitaten aus aktueller Literatur.

Sein selbstironisch-trockener Mutterwitz verleiht der unverhohlenen Dramatik der beschriebenen Szenarien eine leserliche Leichtigkeit. Die Lektüre ist fast schon irritierend unterhaltsam – eine Genre-Attitüde, die man im Deutschen gar nicht kennt und dem Autor seine intellektuelle Weltläufigkeit attestiert.

Aber KONSUM ist nicht nur für den Konsumenten – der wir ja trotzdem alle sind – geschrieben, sondern auch und besonders für uns Macher, Produzenten und Verkäufer. Hier lädt uns einer ein, gemeinsam umzudenken. Denn natürlich ist die Motivstruktur unseres Konsumverhaltens in all ihren Facetten ein Memento Mori für die Produktkultur, die wir als Branche zu verantworten haben.

Trotz aller Ernsthaftigkeit - KONSUM von Carl Tillessen ist ein Vergnügen und ein Pageturner. Mit ihm würde ich gerne mal einkaufen gehen...

Gerd Müller-Thomkins

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